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19.01 / Neubau Burkwil, Generationenwohnen, Meilen

Orte mit hoher Nutzungsdichte nehmen im waldgesäumten Weideland auf der Geländeterrasse am Dorfrand von Meilen die gemeinschaftlich organisierte Nachbarschaft auf und lassen auch in Zukunft Transformation und Adaptierbarkeit von Raum zu.

Studienauftrag, Januar 2019

Planungsteam
Auftraggeberin – Stiftung Burkwil
Architektur – op-arch | Stefan Bopp, Gabriela Füglistaller, Norbert Pasko
Soziologie – Barbara Emmenegger
Tragwerk – Büro Thomas Boyle + Partner AG / Tom Boyle
Landschaftsarchitektur – Nipkow Landschaftsarchitektur AG / Beat Nipkow
HLKKS – Sustainable System Solutions GmbH / Rafael Burri
Visualisierung – maaars
Projektbeschrieb



Einen Ort schaffen
Das Dorf als Vorbild

Auf der Geländeterrasse zwischen Dollikon und den Rebhängen von Obermeilen soll ein Ort entstehen, der mehr ist als eine weitere Ansammlung individualisierter Wohnwelten am sonnigen rechten Ufer des Zürichsees. Die Stiftung Burkwil beabsichtigt das baumgesäumte Wiesland der "Weid" mit einer Fläche von beinahe zwei Hektaren zu einem Lebensraum für bis zu 180 Menschen zu transformieren. Das Raumprogramm bildet die konstituierenden Elemente eines Dorfes ab. Der grösste Anteil steht für Wohnungen zur Verfügung wobei der beabsichtigten sozialen Durchmischung der Bewohner/innen in Form von drei Kategorien Rechnung getragen wird. An die Stelle von Mühle, Wirtshaus, Schmiede, Trotte und Backofen treten der Hofladen, die Salle Modulable, Räume für (lokales) Gewerbe und weitere der Siedlungs-gemeinschaft und darüber hinaus dienende Angebote.

Der hohe Anspruch mit Burkwil einen soziologischen und ökologischen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten, soll in Organisation und Gestaltung des räumlichen Gefüges zum Aus-druck kommen. Hierbei gilt es für die mit historischen Ortskernen assoziierten dörflichen Elemente Haus, Vorgarten, Weg, Platz, Brunnen und Dorfbuche neue Formen und zeitgemässe Zusammenhänge zu finden. Das traditionell Dörfliche steht oft im Gegensatz zu einer anonymen, rationalen Stadtgesellschaft. Das Dörfliche beruht auf Gemeinschaftlichkeit, auf einer subjektiv gefühlten, traditionalen Zusammengehörigkeit der Bewohner/innen des Dorfes, es ist eine Nachbarschaft als Gemeinschaft des Ortes. Dem Dorf werden verschiedene Eigenschaften zugewiesen: man kennt seine Nachbarn und Nachbarinnen, man grüsst sich gegenseitig, man pflegt mal engere, mal weniger enge Kontakte und man fühlt sich partiell sozial und räumlich eingebettet.

Dorfstrukturen gibt es nicht nur auf dem Lande. Auch städtische Siedlungen oder Siedlungen in städtischen Agglomerationen können Dorfcharakter ausstrahlen. Es sind modernere Dörfer wie Burkwil, welche dörfliche Geborgenheit und anonyme Urbanität, soziale Nähe und hohe Selbstbestimmung und Privatsphäre gleichzeitig ermöglichen. Das urbane Dorf zeigt damit spezifische Formen des sozialen Zusammenhalts, bei dem vielfältige Lebensstile (und gesellschaftliche Ausdifferenzierung) gelebt werden können. Die Herausforderungen im Umgang mit der Vielfalt, den individualisierten Lebensstilen, bestehen jedoch trotzdem. Der dörfliche Charakter, das nachbarschaftliche Zusammenleben und die individuelle Privatheit und Selbstbestimmtheit wird in Burkwil über das Zusammenspiel von architektonischer, räumlicher, sozialer und organisationaler Gestaltung gefördert.

Burkwil fügt sich ein in die sozialräumlichen Strukturen von Meilen. Die Siedlung generiert mit ihren öffentlichen Funktionen wie dem Laden, dem Bistro, der Salle Modulable oder auch der Praxisgemeinschaft oder dem Spitex Stützpunkt eine Art Zentrumsfunktion für Obermeilen. Burkwil ist räumlich über Wegnetze, funktional über die Infrastrukturen und sozial über die Nachbarschaften angebunden an die angrenzenden Siedlungen. Burkwil schafft ein Stück Soziokultur für Obermeilen. Das Areal ist damit auch öffentlicher Raum, ein Begegnungsraum für die umliegenden Quartiere und bietet sich als Ganzes selbst an als Dorfplatz.


Eine Nachbarschaft bilden
Sozialräumliche Investition

Der Aufbau selbstgewählter näherer und distanzierterer Nachbarschaften in der Siedlung und im Quartier ist in Burkwil zentraler Bestandteil des Zusammenlebens und bildet das Soziale Kapital der Siedlung. Dieses Soziale Kapital ist Voraussetzung für das Funktionieren der Lebensgemeinschaft auch im Sinne einer Caring Comunity. In einem traditionellen Dorf wachsen und verändern sich die Nachbarschaften organisch und permanent. In der Neubausiedlung Burkwil zieht die gesamte Bewohnerschaft gleichzeitig ein.

Hier wird eine tragfähige Nachbarschaft bewusst gestaltet und über architektonische, räumliche, soziale und organisationale Ebenen aufgebaut. Die professionelle Siedlungsarbeit, welche sich an den Werten der Gemeinwesenarbeit oder der Sozikulturellen Animation orientiert, ist mitverantwortlich für den Aufbau der gemeinschaftlichen und sozialen Strukturen innerhalb der Siedlung und im Austausch mit dem Quartier. Diese Siedlungskoordination aktiviert das zivilgesellschaftliche Engagement in der Siedlung, unterstützt die Prozesse der Raumaneignung und damit der Identifikation der Bewohner/innen mit der Siedlung und ihrem Umfeld, bietet Hilfe bei Aktivtäten, Festen und Events, hilft beim Aufbau gemeinschaftsfördernder Projekte wie zum Beispiel «Tavolata.ch» oder Sharing Projekten wie «Pumpipumpen», unterstützt insbesondere ältere Personen in der Bewältigung ihres Alltags oder in Krisensituationen und ist wichtiger Bestandteil der Drehscheibe. Die Siedlungskoordination beginnt ihre Arbeit schon vor Bezug der Siedlungzum Zeitpunkt der Wohnungsvergaben. Sie kontaktiert die zukünftigen Bewohner/innen und stellt – falls gewünscht - bereits erste Kontakte unter den Bewohner/innen her. 

Die Siedlungskoordination ist vor allem in den ersten beiden Jahren nach dem Bezug wichtige organisationale Struktur für den Aufbau robuster Nachbarschaften. Sie versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe und kann ihre Arbeit mit der Zeit reduzieren. Das Wohnumfeld interagiert mit den gemeinschaftlich genutzten Räumen. Verschiedene Nutzungen und Funktionen überlagern sich und konzentrieren sich um den Dorfplatz. Der Quartierladen mit dem integrierten Bistro und die Salle Modulable mit ihrem Bezug in die Siedlung und zum Quartier ermöglichen temporäre Dichten an Menschen und Aktivitäten. Auch die Wege aus der Tiefgarage führen je nach dem am Laden oder dem Café vorbei und er-möglichen praktisches Einkaufen auf dem Nachhauseweg oder einen kleinen Schwatz im Café. Belebung und Ruhe wechseln sich im Rhythmus des Tages-und Wochenablaufs ab. So ergänzen sich Bistro und Quartierladen in den Öffnungszeiten und das Bistro und die Salle Modulable in den Veranstaltungen. Es entstehen zufällige und niederschwellige Begegnungen und institutionalisierte Treffen über Veranstaltungen und Aktivitäten. Die Drehscheibe, bei der alle wichtigen Informationen zusammenkommen ist Ort des Ankommens. Die Werkstatt steht den Bewohner/innen zur Verfügung, sie ist gleichzeitig auch die Werkstatt des Hauswarts, hier wird geflickt, ausgeholfen und Wissen ausgetauscht. Unter Umständen gibt es hier auch Synergien mit den Räumen des Kleingewerbes. Spezifische Angebote wie die Gemeinschaftspraxis und das Fitnessstudio sind so platziert, dass sie sowohl gut erreichbar sind aus der Siedlung als auch für Nutzer/innen von Extern. Es ist der stark nach der Gemeinde Meilen und dem weiteren Umland ausgerichtete Teil der Siedlung.


Das Terrain bereiten
Entwicklungskonzept Freiraum

Die vorgefundene Landschaft wird zu einem spezifischen Lebensraum entwickelt. Das räumliche Milieu, bestehend aus gewachsener Topgrafie und Vegetation, wird parzellenscharf betrachtet und in seiner atmosphärischen Qualität als Gesamtraum in eine Kulturlandschaft transformiert. Übergreifend bildet sich ein grasogkrautiger, steppenartiger Vegetationsteppich, der sich mit Wald und Bach zu einem den Ort prägenden Grünraum verfeinert. Der Ort erzählt eine Geschichte, die den landschaftlichen Bezug zur weiteren Umgebung und der landwirtschaftlichen Nutzung rezipiert und den Bewohnern als kulturlandschaftliches Lebensmilieu zur Verfügung steht. Differenzierung zum übrigen Siedlungsgrün schärft den Ort als lebendigen Lebensraum, in dem soziale Interaktion und Aneignung einen zentralen Wert verkörpern. Das dicht verwachsene Waldstück mit abgetieftem Wasserlauf spielt für den Ort als Träger eines poetischen Momentes eine substanzielle Rolle und bietet als räumliche Zäsur inmitten des Grundstückes einen Kristallisationspunkt der landschaftlichen Interpretation. Das nicht Betretbare schafft einen permantenten Reiz, das Geheimnisvolle birgt den Wunsch des Entdeckens in sich. Der ‘geheime Garten’ in Form des Waldfragmentes übernimmt die Funktion des gemeinschaftlichen, verbind-enden und trennenden Strukturelementes. Ein Brückenschlag in luftiger Höhe ermöglicht die visuelle Teilnahme an in dieser verborgenen Traumwelt. Der umlaufende Waldrand dieses landschaftlichen Kerns wird als Raumband in seiner beachtlichen Abwicklung aktiviert, Zuordnung und Nutzung des frei zugänglichen Grünraums stehen in Bezug zu den hausnahen Freiräumen. Der Rand wird zum gemeinschaftlichen Ort. Waldfragment und Randfläche bilden ein zusammenhängendes, freiräumliches Strukturelement. Einzelbäume und Baumgruppen treten daraus hervor und verteilen sich im Raum. Waldvegetation wächst grasartig und buschig in die Fläche und breitet sich aus. Typologisch entsteht ein steppenartiges ‘Weideland’, die Koppel als freiräumliche Sequenz für die Bewohner/innen, Huftiere und Hühnervögel sind zugelassen.

Landschaftstypologie Weideland
Als „Wilde Weiden“ oder Beweidungsprojekte werden im Naturschutz seit den 1990er Jahren großflächige, ungeregelte und somit extensiv genutzte Ganzjahres-Weiden bezeichnet, die mit Wildtieren oder robusten Haustierrassen beweidet werden. Das Ziel dieser Weideform ist es, eine zukünftige Entwicklung zu einem möglichst naturnahen Zustand zu gewährleisten. Für das Projekt Burkwil steht die Bildhaftigkeit des aneigenbaren Weidelandes am Anfang einer Geschichte, die detailliert zu entwickeln ist.

Dieser Idee liegt die sogenannte Megaherbivoren-hypothese zugrunde, die vom Grundsatz her besagt, dass große Pflanzenfresser wie Auerochse, Wisent, Hirsche und Wildpferde in der prähistorischen Naturlandschaft nicht nur in den klimatisch bedingten Offenlandschaften (Steppen, Tundren) lebten, sondern auch durch Verbiss und Tritt große Bereiche der Waldlandschaften offen hielten. Insofern wird nunmehr auch den Tieren eine wichtige Rolle in der natürlichen Sukzession eingeräumt, die in den Konzepten der potenziellen natürlichen Vegetation bislang nicht vorkamen. Wilde Weidetiere bildeten auch in Mitteleuropa einen wesentlichen Bestandteil natürlicher Ökosysteme. Sie setzen dynamische Prozesse in Gang, die für viele bedrohte Pflanzen- und Tierarten existenziell sind. Seit Jahren werden daher neue Denkansätze im Natur- und Artenschutz diskutiert. Wilde Weiden sind in dieser Hinsicht ein sehr vielversprechender Ansatz, der zu einem Rückgrat jeder regionalen und überregionalen Biotopverbundplanung werden könnte. Die Typologie des Weidelandes wird in das Projekt Burkwil eingearbeitet.

Eine weitere Form der Beweidung, die zu spezifischen Charakteren von Freiräumen führt, ist ein als Weide genutzer Wald, der sogenannte Hutewald.

Vom Hutewald zum nutzbaren Freiraum
Ein Hutewald ist ein als Weide genutzter Wald. Bei dieser als Waldweide bezeichneten Art der Waldnutzung und Viehaltung wurde das Nutzvieh, anstelle von aufwendiger vorheriger Rodung und Anlage von Weiden, zur Futtersuche in den Wald getrieben. Dadurch entstanden im Laufe der Zeit lichte bis fast offene parkartige Wälder bis hin zu baumbestandenen Weiden, so dass sich ein mehr oder weniger fließender Übergang ergab zur offenen Hutweide (im landschaftlichen Sinne). Hutewald und Hutweide sind demnach alte Kulturlandschaften und keine Naturlandschaften. In trockenen und wärmeren Vegetationszonen, in denen sich die Bewaldung auch natürlich weniger dicht und auch hoch entwickelt, entstanden und entstehen zum Teil bis heute unter ähnlichen Bewirtschaftungsweisen den Hutewäldern ähnliche Weidewälder und Baumwiesen, wo die Bäume auch noch die Funktion von Schattenspendern übernehmen können. Die genutzte Weide (bzw. der Wald) war entweder Gemeinbesitz oder gehörte dem (feudalen) Grund-herrn und war wie auch das Ackerland gegen Abgaben zu nutzen. Die Hut (Hutung, Hute/Hude) war also auch ein Begriff des Weiderechts beziehungsweise des Mastungsrechts. Die Weidegerechtigkeit entwickelte ein detailliertes Regularium. Normalerweise war der Eigentümer des Hutegrundstückes zur Mithut berechtigt. Das Weiden verschiedener Eigentümer oder Mitglieder z.B. einer Dorfgemeinschaft war die Koppelhut. Unter Um-ständen wurde vom Grundstückseigentümer das Privileg der Vorhut in Anspruch genommen. Das Element der baumbestandenen Weide fliesst in das Projekt Burkwil ein. Die landschaftlichen Merkmale einer Kulturlandschaft bilden nun das in sich stabile Grundgerüst der Freiraumgestaltung. Sie orientiert sich an überwiegend versiegelungsfreien Zirkulationsflächen und fragmentarischen Vegetationsschichten. Die räumliche Organisation und das Regularium für die Entwicklung und Nutzung des Freiraums wird planerisch festgelegt und soll von den Bewohner/innen gemeinschaftlich weiterentwickelt werden. 

Der Generationenfreiraum
Die beabsichtigte Gestalt des Freiraums unterscheidet sich deshalb wesentlich vom gutbürgerlichen Begriff des Gartens oder von der Form traditionell angeordneter Siedlungsgärten der Agglomeration. Die Metapher des Weidelandes steht für ein Lebensumfeld, ein freiräumliches Milieu, das ausgehend von einer initialen Vorgabe bereits ohne Eingriffe Bestand hat, für die Bewohner/innen ein lebenswerter und vielfältiger Freiraum zu sein. Gestalterische und funktionale Implementationen sind Teil des Entwicklungsprozesses und dem Thema der robusten und natürlichen Kulturlandschaft als Spielfeld für die Bewohner/innen untergeordnet.

Die Ausweitung und Stabilisierung der Kulturlandschaft bildet freiräumlich das vegetative und atmosphärische Rückgrat des Ortes. Die Bebauungstruktur wird mit der Vegetationsstruktur verflochten und von dieser auch durchdrungen. Bauminselnformationen treten als Fragmente in den Freiraum und fügen sich als Landschaftselemente in den grossen Hof ein. Innen und Aussen verweben sich. Die Bebauung schafft in sich geborgene Orte und offene Beziehungen über alle Einheiten des Wohnens.

Erschliessungsflächen und Durchwegungen bilden ein funktionales und kommunikatives Netz der Verbindung, das auch die Verknüpfung zum Quartier und in die Landschaft sicherstellt. Räume und Orte unter-schiedlicher Dichte schaffen freiräumlich Gravitäten und Merkpunkte und eröffnen das Feld für die freie Programmierung des Aussenraums. Die gesteuerte Kulturlandschaft bietet Nutzungs und Gestaltungspotential für alle Altersstufen. Der Wandel des Nutzungsspektrums ist in der robusten Grund-struktur des Freiraums angelegt. Die Förderung und Erhaltung der Biodiversität und deren sichtbare und wirksame Umsetzung in einen vielschichtigen Lebensraum starker Identität sollen einen hohen Stellenwert geniessen.


Den Lebensraum fassen
Das Weilerprinzip

Die Räume für kollektive Nutzungen bilden gesellschaftliche Verdichtungsorte innerhalb des bespielten Feldes. Sie gewährleisten die Anbindung aller Gebäude an den gemeinschaftlich genutzten Raum und suggerieren gleichzeitig Offenheit und Durchlässigkeit auch für Nachbar/innen aus dem Quartier. 

Die Zusammenfassung der einzelnen Wohneinheiten zu grösseren und kleineren Häusern generiert Orte mit hoher Nutzungsdichte. Diese bilden zusammen mit den unterschiedlich bespielten Freiräumen den vielfältigen Siedlungsraum. Die innere Erschliessung im Zentrum der Häuser entspricht im Prinzip der Strasse eines Weilers. Treppen und Laubengänge knüpfen an das horizontale Wegnetz an und erweitern dieses in die oberen Geschosse. Im Inneren der Häuser überlagern sich gemeinschaftliche und private Wohnbereiche, nach Aussen hin nimmt die Intimität graduell zu. Der kollektive Raum hört somit nicht bei der Haustüre auf. Die Architektur ermöglicht Durch- und Einsichten, dem Bedürfnis nach Privatheit entsprechen die nach Aussen gerichteten Räume.

Die Geschossebenen sind Weiterführung und Vervielfältigung des gemeinschaftlichen Erdgeschosses. Das Erdgeschoss ist durchlässig. Räume für die verschiedenen gemeinschaftlichen und öffentlichen Nutzungen sind in das Wegnetz eingeflochten. Ihre Lage und Ausdehnung entsprechenden ihnen zugewiesenen Nutzungen. Sie lassen sich in den Freiraum erweitern und prägen ihr direktes Umfeld entsprechend mit. Das Erdgeschoss bezieht sich auf das Quartier. Wobei in auf die baumgesäumten Freiräume im Süden hin ausgerichteter Lage auch Erdgeschosswohnungen attraktiv liegen.

Die geometrische Logik der Grundrisse lässt - je nach Anordnung der wiederkehrenden Elemente - eine grosse Variabilität in der Ausbildung der einzelnen Wohnungen zu. Wohnungen des selben Typs werden unterschiedlich ausgebildet, verschiedene Wohnungsstandards befinden sich auf dem selben Geschoss, somit entsteht ein buntes Nebeneinander das die gewünschte Durchmischung der Bewohnerschaft unterstützt.

Zukunft 2000-Watt-Gesellschaft
Die Energieversorgung erfolgt durch ein nachhaltiges Erdsonden-Wärmepumpensystem. Im Gegensatz zu anderen Systemen entstehen dadurch keine sichtbaren Elemente oder Lärmbelastungen. Die Wärmeabgabe erfolgt über eine Fussbodenheizung. Dieses System erlaubt dank der Erdsonden neben der Warmwasser-bereitstellung und dem Heizen im Winter auch das Free Cooling, eine sanfte und passive Kühlung der Gebäude im Sommer. Mit einem sehr kleinen Energieaufwand kann den Gebäuden dadurch Wärme entzogen und ins Erdreich zurückgeführt werden. Neben dem angenehmen Kühlungseffekt wird ausserdem das Erdreich regeneriert, wodurch auch langfristig einer Auskühlung der Sonden vorgebeugt und die Effizienz der Wärmepumpen gesteigert wird. Zur Eigenstrom-produktion werden die Dachflächen mit PV-Modulen belegt. Eine vollständige Belegung der gesamten Dach-flächen aller Gebäude ist sowohl finanziell wie ökologisch vorteilhaft und ermöglicht es, in der Jahresbilanz den gesamten Strombedarf der Gebäude zu decken. Um den Eigenverbrauch der Stromproduktion zu maximieren, wird der Solarstrom in allen Nutzungs-bereichen der Gebäude sowie für Wärmepumpen, Lüftungsgeräte und Ladestationen für Elektrofahrzeuge eingesetzt. Auf eine Aktivierung von Fassadenelementen wird verzichtet, da deren Effizienz wesentlich geringer ist als diejenige von PV-Modulen auf dem Dach und bei zu tiefem Eigenverbrauchsanteil eine Installation nicht wirtschaftlich ist.

Eine Zisterne ermöglicht die Nutzung von Regenwasser für die Bewässerung von Grün-flächen. Eine Verwendung des Regenwassers im Haushalt ist ökologisch betrachtet nicht sinnvoll, da die Wassereinsparungen die Umweltauswirkungen eines zusätzlichen Leitungssystems am Standort Meilen nicht kompensieren können.

Die Lüftung der Räumlichkeiten wird individuell nach Bedürfnis ausgelegt. Für die Gewerbeflächen kommen industrielle Lüftungen zum Einsatz. Bei den Wohnungen wird auf eine zentrale Lüftung verzichtet, damit keine zusätzlichen Leitungen und dickere Decken notwendig sind, was sich negativ auf die Ökobilanz auswirken würde. Stattdessen wird auf ein dezentrales Lüftungs-system mit Wärmerückgewinnung gesetzt, welches in die Brüstung integriert wird. So können die Bewohner die Lüftungsrate sehr einfach nach den individuellen Bedürfnissen einstellen. In den gefangenen Nasszellen werden den Feuchtigkeits- und Geruchsproblemen mittels Abluftventilatoren vorgebeugt. Dieses schlanke System ist optimal mit den Zielen der 2000-Watt-Gesell-schaft kompatibel.

Industriell und Archaisch
Raumklima und -athmosphäre leben von der rauhen Robustheit naturbelassener Materialien. Das Wetter hinterlässt Spuren, sonnenwarme Wände strahlen Wärme ab, Holz kontrastiert mit Lehm und Beton. Industrielle Fertigung und Elementbau stehen zu dieser Vorstellung nicht im Widerspruch ökologische und ökonomische Zusammenhänge werden ebenfalls mitberücksichtigt. Die Geschossdecken aus Beton funktionieren als Energiespeicher, die leichte Konstruktion vorfabrizierter Holzfassaden in den Obergeschossen trägt zur schlanken Statik bei, der über alle Obergeschosse identische Dämm-perimeter vereinfacht die Konstruktion

Durch das orthogonale Spiel der vor- und zurück-springenden Fassaden auf den kreisrunden Scheiben entstehen private Freiräume auf der Aussenseite und gemeinschaftliche, der Erschliessung dienende Freiräume auf der Innenseite der Gebäude. Auf beide Seiten wird somit der individuell nutz- und gestaltbare Lebensraum in den Aussenbereich erweitert. Die raumhohen Fenster unterstützen die visuelle Kontinuität des Raumes. Sie sind alle vor der Witterung geschützt und können daher in Holz ausgeführt werden. Im Erdgeschoss sind die geschlossenen Fassaden-bereiche in Lehm ausgebildet, in den oberen Geschossen, auf der Höhe der mächtigen Bäume, ist Holz das prägende Material. Das erste Geschoss wird durch umlaufende Pflanzkisten ausgezeichnet, ansonsten sind Absturzsicherungen und Geländer einfach und funktional gehalten. Netzbespannte Metallrahmen bieten sich auch als Rankgerüste für Pflanzen an, nobilitiert werden sie durch einen Handlauf aus Holz.

Die Gestalt der vier Häuser lebt vom Alltag ihrer Bewohner/innen. Bunte Möbel, blühende Pflanzen, Spielzeug oder trocknende Wäsche zeichnen den wandelbaren Ausdruck vielfältiger Lebenswelten auf die Fassaden.


Die Zukunft zulassen
Transformation und Adaptierbarkeit

Transformationen, die Gestaltungsspielräume zulassen, sind der Motor für Engagement. Formen von Engagement verändern sich permanent mit der Veränderung von Lebensstilen. Engagement soll vermehrt Beweglichkeit, Autonomie, Gestaltungsfreiheit und Eigenregie ermöglichen.Gestaltungsfreiheiten zeigen sich in Möglichkeitsräumen.

Es sind noch nicht definierte Orte, vielfältig bespielbare, veränderbare Räume aber auch geeignete Mitwirkungsgefässe die soziale und räumliche Trans-formation zulassen. Sie basieren auf Offenheit und Komplexität.

Ihre Unbestimmtheit verlangt nach Aushandlung, welche ermöglicht, neue Kontakte anzuregen oder bestehende zu vertiefen. Dies wiederum führt erneut zur Stärkung und Aktivierung sozialer Netzwerke und damit zur Freisetzung weiteren Engagements. Es entsteht ein Wirkungskreis von Engagement, sozialen Kontakten und Möglichkeitsräumen, der unter anderem und partiell auch angeregt wird durch die Siedlungskoordination. Möglichkeitsräume zeigen sich im Aussenraum, der sich je nach Interessen der Bewohner/innen zu zum Beispiel zu einem Gemeinschaftsgarten oder einer Wiese transformieren kann. Sie zeigen sich in Wohnungen, die je nach Familienform und Lebensphase zusammengelegt oder separiert werden können oder Wohnungsgemeinschaften horizontal oder vertikal zulassen.

Die Salle Modulable ist ein Möglichkeitsraum welcher Platz bietet für Projekte, Aktivitäten und Selbstorganisation. Auch die Gewerbeflächen bieten Möglichkeitsräume für temporäre Leidenschaften oder Hobbies. Gewerberäume können zu Co-Werkstätten oder Co-Workingspaces umfunktioniert werden.

Die Siedlung als Sozialraum gedacht ermöglicht, sich nach den jeweiligen Bedürfnissen der Menschen, die den Raum prägen und von ihm geprägt werden, zu verändern. Transformation und Adaptierbarkeit von Raum sind Bestandteile einer sich gemeinschaftlich organisierten Nachbarschaft.