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21.16 / Wohnüberbauung Areal Rehalp, Zürich

Projektwettbewerb 2021

Planungsteam
Auftraggeber – Stiftung Diakoniewerk Neumünster - Schweizerische Pflegerinnenschule
Architektur – op-arch | Sarah Weber, Jan Heidbrink
Freiraum – Nipkow Landschaftsarchitektur, Zürich 
Tragwerk – Büro Thomas Boyle + Partner AG, Zürich
Energie und Nachhaltigkeit – Lemon Consult, Zürich
Lärmschutz – Ingenieurbüro Andreas Suter, Thalwil
Visualisierung – indievisual

Projektbeschrieb

Massstabs- und Zeitsprünge

Licht, Luft und Fernsicht boten die zur Sonne gerichteten Veranden der stattlichen Klinikbauten zwischen Forchstrasse und Burghölzli. Verschiedene »Anstalten« für Privilegierte oder Bedürftige entwickelten sich über die Jahre zu Spezialeinrichtungen für Gesundheit, Forschung und Bildung. Die ursprünglich offen in der Landschaft stehenden Kernbauten wurden nach und nach zu kompakten, introvertierten Funktionswelten verdichtet und bilden heute grossmassstäbliche Konglomerate mit wenig Bezug zum umgebenden Stadtraum. Der zwischen Hirslanden, Balgrist und Schulthessklinik verlaufende Lenggfussweg bindet zudem verschiedene kleinteiligere Anlagen für Bewohnende mit spezifischen Bedürfnissen zusammen. Hier zählen auch das durch die Stadt betriebene Pflegezentrum Riesbach und das ehemalige Pflegeheim Rehalp auf den Grundstücken der Stiftung Diakoniewerk Neumünster - Schweizerische Pflegerinnenschule dazu. Im Neben- und Durcheinander der Gesundheitsarchitekturen aus verschiedenen Epochen überrascht die unverstellte Gartenanlage der ehemaligen Klinik Rehalp. Verglichen mit den benachbarten Entwicklungen verlief deren Erweiterung vom Asyl für unheilbar Kranke zum Pflegeheim moderat. Nach wie vor dominiert der Spitalbau von 1909 die Ansicht von der Witellikerstrasse und erinnert an die ursprünglich offene villendurchsetzte Landschaft am Stadtrand. 

Reichhaltige Gartenlandschaft

Das Grundstück steigt zur Forchstrasse hin an und profitiert im oberen Bereich von der Weitsicht über die Klinikbauten hinweg bis zum Uetliberg. Die bauliche Dichte im Umfeld führt zu wenigen unmittelbar nutzbaren Freiraumqualitäten. Dem gegenüber wird das öffentlich zugängliche Freiraumangebot mit dem östlich gelegenen Friedhof Enzenbühl mehr als kompensiert. Im Perimeter besteht mit der städtebaulichen Setzung der neuen Bauvolumen die Chance, einen qualitativ hochwertigen, zusammenhängenden Freiraum zu schaffen, an welchem die umliegenden Nutzer partizipieren können. Die Tendenz der baulichen Expansion im Umfeld wird so mit einer luftigen Oase des Grüns durchbrochen. Aus denkmalpflegerischer Sicht erfahren Pflegeheim Rehalp und ehemaliges Ökonomiegebäude eine landschaftlich rücksichtsvolle Einbindung in den Kontext der ursprünglichen, grosszügigen Freiraumsituation mit den Nutzgärten der Nachkriegszeit. Die schützenswerten Elemente werden erhalten, die Beläge mehrheitlich chaussiert. Die Konzentration des Fussabdruckes der drei Neubauvolumen und die formale Typologie schaffen Raum für eine freiraumgestalterische Öffnung zum Quartier. Die räumliche Freistellung des historischen Baus des Pflegeheims Rehalp schafft einen visuellen Bezug zur Witellikerstrasse, eine Disposition der ursprünglichen Situierung der Bauten mit vorgelagerten Gartensequenzen. Der umgebende Freiraum gliedert sich hangaufwärts in einen baumbestandenen Hain mit redimensionierter Vorfahrt und Hauszugängen. Die lockere Vegetationsstruktur mit hochstämmigen Bäumen - bestehende Linde, Eichen und Waldföhren mit artenreicher Bodenvegetation - prägt diesen teilbeschatteten Hofraum und rückt die Figur der Bestandes- und Neubauten zusammen. Seewärts öffnet sich auf der Flucht des neuen Punktbaus und des Pflegheims eine sanft abfallende, offene Wiesenlandschaft mit vereinzelten Obstbäumen alter Sorten. Die öffentlich begehbare, chaussierte Durchwegung von der Witellikerstrasse her wird als ansteigende, periphere Fusswegfigur um die artenreiche Blumenwiese herumgeführt. Einzelne gemähte Freiraumfelder dienen im südlichen Bereich der Erholung und dem Aufenthalt. Eine raumfassende Hecke verläuft entlang dem Grundstücks-perimeter, entlang der Strasse begleitet von einem bepflanzten Wasserbecken. Das Retentionsvolumen dient dem Meteorwassermanagement für die Bebauung. Das Hofgebäude ist mit einem Vorplatz an der Strasse adressiert und weist einen artenreich und intensiv bepflanzten, begehbaren Innenhof auf. Die Vermittlung zwischen der Witelliker- und Forchstrassse über einen erlebbaren Freiraum stärkt die ortsbauliche Situation in Beziehung zu den offenen Freiräumen Familiengartenareal und Friedhof Enzenbühl und bewirkt eine hohe Aufenthaltsqualität für alle Bewohnerinnen und Bewohner. 

Vielgestaltiges Ensemble

Die Dramaturgie der Freiräume ist für die räumliche Konfiguration des erweiterten Ensembles bestimmend. Die historische Vorfahrt mündet in den offenen Hof, der gleichzeitig Adresse, Ankunftsort und Treffpunkt für die Gemeinschaft ist. Die weitläufige Wiese spielt das repräsentative Spitalgebäude frei und eröffnet Fern- und Durchsichten. Der introvertierte Garten im Hofgebäude steht in bereicherndem Kontrast zur umgebenden urbanen Lebenswelt und bildet einen adäquaten Rahmen für die lärmabgewandten Freiräume der exponierten Wohnungen. Zusammen mit dem Bestand bespielen drei Neubauten die reichhaltige Gartenlandschaft und sind abwechslungsreiche Kulisse für die vielfältige Vegetation. Als Gegenstück zur grossen Wiese nimmt der kompakte Hofbau im Norden rund die Hälfte aller Wohnungen und den Grossverteiler auf und adressiert das Ensemble an der Witellikerstrasse. Die gestaffelte Zeile an der Forchstrasse gliedert sich in die Reihe strassenbegleitender Gebäude ein und schafft über die zweiseitige Ausrichtung der Wohnungen einen direkten Bezug der Bewohnenden zum Stadtraum. Der freistehende Punktbau bildet den Übergang zur kleinteiligen Nachbarschaft im Süden und erweitert das Wohnungsangebot. Die fünf freistehenden Gebäude beziehen sich in Volumetrie und Lage auf ihr direktes Umfeld und gliedern sich in die lose Bebauung der Siedlungslinse zwischen Enzenbühlfriedhof, Forch- und Witellikerstrasse ein. Zugunsten der ortsverträglichen Integration des Ensembles in seine direkte Nachbarschaft, wird die auf den Parzellen erlaubte, maximale Ausnützung nicht vollständig ausgeschöpft. Diese Ausnützungsreserve steht für einen späteren Transfer auf das Teilareal Riesbach, das bereits heute einen Grossteil des Perimeters mit Gebäuden belegt, zur Verfügung. Der offene Garten bleibt inmitten des immer dichter werdenden Quartiers erhalten.

Ersatzneubau statt Bestand

Anstatt die vorhandene Substanz mit unverhältnismässigem Einsatz von Baumaterialien zu einem suboptimal nutzbaren Gebäude mit schwierig nutzbaren Grundrissen zu ertüchtigen, wird mit dem vorgeschlagenen Ersatzneubau an der Forchstrasse ein ökologisch wertvolles, flexibles und zukunftsfähiges Wohngebäude entstehen, das zur Forchstrasse mit angemessenem Abstand einen Bezug herstellt und sich auf den Siedlungsbinnenraum ausrichtet.

Nachhaltige Gestaltung

Die einfachen und kompakten Gebäudekörper bieten grosse Flexibilität in den Grundrissen und eine optimale Grundlage für nachhaltige Bauten. Die Anordnung der Gebäude lässt grosse Freiräume entstehen, die mannigfaltig nutzbar sind. Mit der optimierten Erschliessung des motorisierten Individualverkehrs über die Witellikerstrasse wird der gesamte Freiraum weitgehend autofrei. Dies ist der nachhaltigen, vielfältigen Nutzung des Aussenraumes zuträglich. Mit den geplanten publikumsorientierten Nutzungen in den ebenerdigen Geschossen wird der Grundstein für ein lebendiges Quartier gelegt.

Betriebsenergie und Komfort

Die Baukörper weisen eine gute Kompaktheit auf. Der tiefe Heizwärmebedarf wird mit gut gedämmten Bauteilen und der konsequenten Lösung von Wärmebrücken erreicht. Die Anordnung der Wohnräume erlaubt den hohen Eintrag von Tageslicht. Der sommerliche Wärmeschutz wird durch aussenliegende Verschattungselemente oder entsprechende Speichermassen in Kern und im Boden sichergestellt. Die Anforderungen an den internen Schallschutz werden durch entsprechend dimensionierte Wände und Deckensysteme erreicht. Die gute Raumluftqualität wird mittels hocheffizienter Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sichergestellt. Auf dem Dach sorgt eine gosszügige PV-Anlage für die Deckung von rund 25 % des jährlichen Strombedarfs. Warmwasser und Heizung werden über Erdsonden Wärmepumpen erzeugt.

Energiekonzept

Die Bauherrschaft wünscht sich eine Übergangslösung in der Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energien, bevor zu einem unbestimmten Zeitpunkt ein Seewasserverbund der Stadt Zürich in Betrieb genommen werden soll und das Areal daran angeschlossen wird. Da am Standort kein Grundwasser vorhanden ist und für einen Anschluss an den Seewasser-verbund das Energiekonzept an die tiefen Vorlauftemperaturen optimiert ist, kommen nur noch Erdsonden oder Luft-Wasser-Wärmepumpen als Zwischenlösung in Frage. Eine Nutzung von Biogas oder Holzschnitzel ist auch aus Gründen der Nachhaltigkeit nicht sinnvoll, da diese Energieträger sehr hochwertig sind und zukünftig nicht für Heizwärme verschwendet werden, sondern für den Ersatz der Hochtemperaturwärme in Industriebetrieben Erdgas und Öl eingesetzt werden sollten.

Da am Standort unter anderem Lärmemissionen möglichst vermieden werden sollen, kommen grosse Luft-Wasser Wärmepumpen nicht in Frage, da diese Anlagen jeweils einen erheblichen Schallpegel mit sich bringen. Müssten diese eingehaust oder gar im Gebäudeinneren platziert werden, kommen grosse Installationen für die Luftzufuhr dazu, die später nicht mehr benötigt werden und den Entwurf beeinträchtigen.

Obwohl von der Bauherrschaft aufgrund der Investitionskosten Erdsonden ausgeschlossen wurden, ist die Wärmeerzeugung mittels eines Erdsondenfeldes an diesem Standort am sinnvollsten. Die Wärmeerzeugung mittels Erdsonden ist emissionsfrei, problemlos im Untergeschoss nicht sicht- und hörbar unterzubringen, belegt keine Dachflächen oder verursacht grosse Eingriffe in den Entwurf und erlaubt von Beginn weg auch im Sommer das Free-Cooling. Sollte der Anschluss an den Seewasserverbund erfolgen, kann mit den vorhandenen Erdwärmesonden ein Pufferspeicher, bzw. Wärme oder Kältereservoir für den Seewasserverbund bereitgestellt werden. Somit wäre dann das Areal Rehalp nicht nur ein passiver Nutzer im Seewasserverbund, sondern ein aktiver Teilnehmer, der die bereits vorhandene Infrastruktur auf dem Areal den angeschlossenen Verbundteilnehmern ebenfalls zur Verfügung stellt. Eine solche Lösung wäre aus der Sicht der Nachhaltigkeit zu bevorzugen. Deshalb ist dies so im Entwurf berücksichtigt.

Erstellungskosten und Bauökologie

Neben einem niedrigen Ressourcenaufwand im Betrieb und einem flexiblen Grundriss ist im Sinne des nachhaltigen Bauens auch ein möglichst geringer Ressourcenaufwand für die Erstellung, den Unterhalt sowie den Rückbau der Gebäude anzustreben. Die kompakten Baukörper mit angepassten Spannweiten und die geradlinigen Tragstrukturen mit klar abgegrenzten tragenden Wänden sind dieser Optimierung zuträglich. Durch die gezielte Wahl der Baustoffe mit Recycling-Beton und nachhaltig zertifiziertem Holz sowie einem optimierten Glasanteil in den Fassaden ist ein wirtschaftliches und ressourcenschonendes Projekt möglich. In Hinsicht auf die Ressourcensuffizienz werden die Oberflächen nur soweit veredelt, wie technisch notwendig. So wird nicht jede Wand verputzt und gestrichen, sondern Betonwände weitestgehend nur lasiert oder gestrichen belassen. Damit das Gebäude auch den bauökologischen Anforderungen des modernen Bauens entspricht, kommen nur unbedenkliche, schadstofffreie Materialien zum Einsatz. Grundsätzlich werden wo immer technisch möglich die eco-bau Produkte Priorität 1 und 2 für die Materialisierung vorgesehen.

Differenzierte Nachbarschaften

Im Haus Witellikerstrasse wird das Wohnumfeld als Angebot für Nähe und Gemeinschaft verstanden. Der Innenhof ist offene Eingangshalle, ruhiger Garten und baumbestandener Ausblick. Die Lauben bieten sich für alltägliche Begegnungen oder den längeren Aufenthalt an. Der über die vier Treppenhäuser direkt von der Wohnung aus erreichbare Dachgarten, steht allen Bewohnerinnen und Bewohnern als luftige Alternative zur privaten Loggia zur Verfügung. Rund fünfzig Haushalte partizipieren je nach Lage mehr oder weniger am direkten nachbarschaftlichen Miteinander. Zum Stadtraum hin bieten die Wohnungen private Rückzugsmöglichkeiten. Das Haus Forchstrasse schliesst den oberen Garten nach Norden hin ab. Dieser bindet die fünf unterschiedlichen Wohnhäuser beiläufig zusammen und ist Ort der Begegnung, Spiel- und auch gelegentlich Festplatz für die gesamte Siedlungsgemeinschaft. Die, über zweibündige Treppen-häuser an die Siedlungsebene angeschlossenen Wohnungen in der gestaffelten Zeile, bieten sich für ein klassisches nachbarschaftliches Nebeneinander an. Interaktionen und Begegnungen finden hauptsächlich im Erdgeschoss statt, wo auch der Gemeinschaftsraum und Ateliers zur Verfügung stehen. Zur Forchstrasse hin laden Fensternischen zum Verweilen im dynamischen Geschehen ein und eröffnen Ausblicke in die Stadt. Das Haus im Garten spielt seine ruhige, idyllische Lage aus und nimmt unterschiedlich orientierte, dreiseitige Wohnungen mit geschossweise differenzierten privaten Aussenräumen auf.

Neben unkonventionellem Wohnraum im umgenutzten Spitalbau und kompakten Zweizimmerwohnungen im ehemaligen Ökonomiegebäude entstehen in den drei Neubauten weitere lagespezifisch ausformulierte Wohnungen. Aussenbezüge auf zwei Seiten, individuell und über einen längeren Zeitraum unterschiedlich nutz- und möblierbare Räume, und sorgfältig orchestrierte Übergänge von gemeinschaftlichen zu privaten Zonen bieten einen vielfältigen Lebensraum für ein breites Zielpublikum.

Lärmabgewandte Wohnungen

Die Lärmbelastungen führen – basierend auf Berechnungen mit dem Berechnungsmodell sonROAD18 – sowohl an der Forchstrasse als auch an der Witellikerstrasse zu überschrittenen Grenzwerten. An der Forchstrasse sind die IGW um maximal 5 dB überschritten (massgebend: ES III) und an der Witellikerstrasse um maximal 9 dB (ES II). An der Forchstrasse wird darauf mit konsequent lärmabgewandten Grundrissen reagiert. Lärmzugewandt sind Erschliessungen, separate Küchen und Zweitfenster von zweiseitig ausgerichteten Wohnbereichen, die über die rückwärtige Fassade belüftet werden können, angeordnet. Alle Schlafzimmer sind rückwärtig oder an den Eckbereichen zumindest seitlich angeordnet. Die Darstellung der maximalen Fassadenbelastungen und das Beurteilungs-Schema des Regelgeschosses zeigen, dass hier nur grüne und gelbe Räume vorliegen. Auch an der Witellikerstrasse wird strassenseitig mit konsequent lärmabgewandten Grundrissen reagiert. Lärmzugewandt sind Erschliessungen, Nasszellen, separate Küchen und Zweitfenster von zweiseitig orientierten Wohnbereichen, die über das für Belüftung und Belichtung ausreichend grosse Atrium belüftet werden können, angeordnet. Alle Schlafzimmer sind hier rückwärtig angeordnet. Seitlich können alle Räume über Loggien/Balkone belüftet werden. Es ist zwar sowohl zur Forch- als auch zur Witellikerstrasse eine Ausnahmebewilligung nach Art. 31 Abs. 2 LSV erforderlich, die hierfür notwendigen Voraussetzungen sind aber gegeben oder können mit geringen Anpassungen geschaffen werden.