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18.13 / GBMZ Siedlung 6 "Stüdli", Zürich

Der Stüdliweg wird zum öffentlichen, die Siedlung durchquerenden Raum für Interaktionen. Auf zwei Geschossen schliessen gemeinschaftlich nutzbare Räume und die kollektiven Bereiche des Wohnens an diese Wohngasse an. Über die siedlungsinterne Verbindung im ersten Obergeschoss sind alle Wohnungen direkt an die Gemeinschaft angebunden.

Projektwettbewerb 2018, 1. Preis
Planungsteam
Auftraggeber – GBMZ Gemeinnützige Bau- und Mietergenossenschaft Zürich
Architektur – op-arch | Christoph Morgenthaler, Maurin Nissen 
Landschaft – Nipkow Landschaftsarchitektur AG / Beat Nipkow, Christine Falk
Haustechnik – Sustainable System Solutions GmbH / Raffael Burri, Mara Zimmermann
Akustik, Lärmspezialist – Ingenieurbüro Andreas Suter / Andreas Suter
Visualisierung – maaars Architektur Visualisierungen
Projektbeschrieb

Siedlung Stüdliweg – ein Spaziergang
" Bei der Tramstation «Güterbahnhof» in den Stüdliweg abbiegen, vom brummenden Verkehr in die Siedlung eintauchen, in den ruhigen Gassenraum, den Ort für Begegnung, Verbindung und Austausch, durch’s städtische Wohnzimmer spazieren bis zum Durchgang zur Ernastrasse und weiter ins nahe Quartier. Auf dem Weg den etwas anderen Hofladen im Herzen der Anlage besuchen, beim grünen Hof rasten, dem Treffpunkt für Bewohner, Nachbarinnen und Connaisseurs guter Produkte. Überall auf der Stadtebene ein buntes Nebeneinander von Eingängen, Zugängen und Aufgängen für das Wohnen, Arbeiten und sich Treffen in der neuen Siedlung. "

Städtebauliche Ausgangslage
Der Ersatz der bestehenden Siedlung zwischen Hohl- und Ernastrasse verlangt nicht nur einen architektonisch hoch— wertigen Neubau mit zeitgemässen Wohnungen, sondern auch einen städtebaulich intelligenten Umgang mit der hohen baulichen Dichte. Dabei spielen zwei gewichtige Aspekte für die zu planende städtebauliche Disposition der beträchtlichen Volumina die Hauptrolle: die Lage und Bedeutung des zukünftigen «Stüdliweges» im städtischen Gefüge und der Umgang mit dem städtebaulich «fremden» Baukörper im Blockrandgeviert, dem freistehenden, aber umzäunten «Casa d’Italia» an der Erismannstrasse.

Stüdliweg und Casa d’Italia
Der Stüdliweg ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert, sein Bau erfolgte noch vor der grossen Umgestaltung und Verdichtung von Aussersihl zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wie auf der Siegfriedkarte Zürich um 1930 zu erkennen ist, war er ursprünglich als Sackgasse geplant, die lediglich zur Erschliessung einer lockeren Bebauung kleiner Häuser diente. Im Zuge der späteren baulichen Verdichtung entstanden dann auf beiden Seiten Randbebauungen. Trotzdem ist der Weg bis heute ein fremdes Element geblieben, ohne Anbindung an die klassische Blockrandtypologie mit ihren adressbildenden Strassen.
Im Rahmen der aktuellen Planung soll der Stüdliweg im klassischen Blockrandgeviert zwischen Zypressen-, Hohl-, Erismann- und Ernastrasse einer neuen Bestimmung zugeführt werden. In Anlehnung an eine Wohnbebauung von Hermann Hertzberger – die Haarlemmer Houttuinen in Amsterdam – wird der Weg integrierter Teil der neuen Siedlung, indem er deren begrünten Innenhof durchquert und als Wohngasse ausgebildet die einzelnen Häuser miteinander verbindet. Diese Wohngasse ist öffentlicher Raum und sowohl an die Erna- wie auch, mit zwei Durchgängen zur Hohlstrasse, an das städtische Strassennetz angebunden. Ihre Nutzung soll aktiv und intensiv sein, analog Hertzbergers Beschreibung für seine Amsterdamer Siedlung: 
«Die Strasse mit ihrer Wohnzimmerqualität eignet sich gut für gemeinsame Feste. Die geringe Breite gibt nicht nur Geborgenheit, die gegenüberliegende Seite ist nicht zu weit weg, um Festdekorationen hinüber zu spannen.»
Doch nicht nur den Umstand der Nähe gilt es für die beiden Wohnzeilen zu berücksichtigen, sondern auch deren gute Besonnung, der besonderen, beinahe Nord-Süd-Orientierung. Der Mäander bindet den bestehenden Sichtbetonbau an der Hohlstrasse und den Bestand an der Zypressenstrasse zu einer Einheit und ermöglicht ein adäquates Gegenüber zur Casa d’Italia. Die entstehenden Freiräume haben alle ihre eigene Bestimmung: die bereits erwähnte, an die Hohl- und Ernastrasse mit Durchgängen angebundene Wohngasse, der begrünte Innenhof zwischen der Ernastrasse und der mittleren Wohnzeile, aber auch der adressierte Freiraum für die Kinderkrippe und den Kindergarten zwischen freistehender Casa d’Italia und dem Verbindungsbau zweier Zeilen. Wohnen im Erdgeschoss und ein siedlungsinternes Wegenetz im 1. Obergeschoss.
Ein wichtiges Charakteristikum des Projekts ist die Programmierung des Erd- und des 1. Obergeschosses mit wohnungsorientierten, siedlungsspezifischen und publikumsorientierten Nutzungen, um auf beiden Ebenen Räume zu schaffen, die kleine, informelle Interaktionen für die entsprechenden Gruppen fördern. Sie werden durch geeignete Orte begünstigt, die zwischen Menschen liegen, die sie benutzen. Personen, welche z.B. in der Wohngasse «Stüdli» wohnen oder dort arbeiten. Der im Zentrum integrierte Dorfladen mit Quartierfunktion kann zu einer weiteren, siedlungsübergreifenden Interaktion führen. Die Nutzungsverteilung der beiden Geschosse folgt diesem Gedanken der Interaktion. Im 1. Obergeschoss befinden sich die allgemeinen Räume mit kollektivem, genossenschaftlichem Charakter. Sie beleben die siedlungsinterne Kommunikation über die zumietbaren Ateliers, die Wasch- und Sozialräume und auch die Geschäftsräume der GBMZ.
Im Erdgeschoss wird gewohnt, in Wohnungen mit privaten Gärten gegen den durchgrünten Hof und mit direktem Zugang aus dem öffentlichen Raum entlang der Ernastrasse und der Stüdligasse. An der Hohlstrasse werden Wohnungen mit Gewerbe- bzw. Dienstleistungsflächen mit tendenziell eher informellen Wohnungstypen für Wohnen und Arbeiten kombiniert, auch hier wird zur Stüdligasse hin gewohnt. Der Entscheid, das Erdgeschoss hauptsächlich als Wohngeschoss auszubilden, hängt mit der Idee der Wohngasse «Stüdli» und dem bereits existierenden Wohnen entlang der Ernastrasse zusammen. Für das Wohnen auf Stadtebene spielt die Wohntypologie eine entscheidende Rolle. Die kollektiven Bereiche des Wohnens, wie Kochen und Essen, sind dem öffentlichen Raum zugewandt, die privaten Räume, wie die Wohn- und die Schlafzimmer, grenzen an den ruhigen Hof, wo sie auch entschieden vom siedlungsinternen, für alle Bewohner nutzbaren Bereich getrennt werden können. Die auf der Quartierebene wünschenswerte Interaktion zwischen öffentlich zugänglichen Strassen, Gassen und Plätze und dem kollektiven Teil des Wohnens adressiert die Aussenräume durch ein kreatives Zusammenleben. Die Durchführung grösserer Siedlungsanlässe – Feste, Märkte, Tauschbörsen – sind dort ebenso vorstellbar wie gemeinsame Aktivitäten einzelner Nachbarn oder auch nur das spontane Aufeinandertreffen, der Austausch vor der Haustür. Das Herz der Siedlung bildet der Hofladen mit ausgesuchten Produkten. Als Treffpunkt, Ort der Begegnung oder Kaffeebar bildet er die Ausnahme zwischen den Erdgeschosswohnungen verbunden. Von dort aus führt der Weg über schmale Brücken, Laubengänge und gemeinschaftliche Terrassen den einzelnen Häusern entlang zu Treppenhäusern, Waschräumen, Büros, Bastelräumen und zumietbaren Ateliers. Dieses siedlungsinterne Erschliessungsnetz bietet zahlreiche Möglichkeiten der Zirkulation und der Nutzung. So können sich Nachbarskinder aus der Erna- und der Hohlstrasse gegenseitig besuchen, ohne das Erdgeschoss, den öffentlichen Raum, betreten zu müssen. Die Gemeinschaftsterrassen bieten Platz, um Wäsche aufzuhängen, die zuvor auf derselben Ebene gewaschen wurde, oder um gemeinsam zu kochen, zu essen oder Velos zu flicken. All diese Massnahmen lassen eine innere Siedlungswelt entstehen, die verbindet, Identifikation stiftet und eine aktive Nutzung fördert.

Kindergarten und Kindertagesstätte
Kindergarten und Kindertagesstätte liegen vis-à-vis des Casa d’Italia im Erdgeschoss und haben je zwei eigene Zugänge. Die Kindertagesstätte kann direkt über die Stüdligasse, im Bereich des Zugangs zur Hohlstrasse, erreicht werden. Der Kindergarten hat ebenfalls einen eigenen Zugang, von der Ernastrasse her über den informellen Weg entlang der Gründstücksgrenze zum Casa d’Italia. Sie teilen sich den privaten Aussenraum; ein sekundärer Zugang ist über den Hof gewährleistet. Beide Bereiche sind aber im Innern funktional verbunden.

Pflegewohnungen mit Dachterrasse
Alle Pflegewohnungen sind auf dem 2. Dachgeschoss im Verbindungsbau angeordnet. Sie haben Zugang zur Dachterrasse, mit weiteren Waschräumen der Siedlung. Eine «innere Gasse» als kollektiver Wohn-, Ess- und Aufenthaltsbereich verbindet die beiden Treppenhäusern. Die Alterswohnungen haben so ihre Adressen von der Ernastrasse oder über den Stüdliweg.

Tragwerk
Das Tragwerk im Untergeschoss, im Erdgeschoss und den Regelgeschossen besteht aus einem Zusammenspiel von Kernund Trennwänden in Ortbeton, vorfabrizierten Stützen entlang den Fassaden und einer Ortbeton-Flachdecke. Die Wand- und Stützenabst.nde lassen eine wirtschaftliche Bemessung der Decken zu, die Längs- und Queraussteifung kann durch die Kernwände gewährleistet werden. Die Anordnung der tragenden Elemente lässt spätere Nutzungs- und Layoutanpassung problemlos zu. Über den Regelgeschossen sind die Dachmaisonette-Wohnungen in Leichtbauwei se konzipiert. Holz-Hohlkastenelemente bilden Wohnungstrennwände und tragende Schotten. Darauf liegen ebenfalls Holz-H o h l k a s t enel emen t e a l s l e i c h t e und s c h l a n k e Dachkonstruktion. Die Elementbauweise bietet den Vorteil einer kurzen Bauzeit. Die Elemente werden direkt vom Lastwagen mit dem Baukran montier t und der Installationsplatz im knappen innerstädtischen Bereich erheblich reduziert. Die Fassade wird selbsttragend ausgebildet und in den Deckenstirnen rückverankert. Auch die Balkonplatten sind meist Teil dieses Fassadenbauwerks. Das Gebäudetragwerk wird dadurch kaum belastet und kann auch im Bereich der Fassaden- und Balkonanschlüsse schlank dimensioniert werden.

Clevere Gebäudetechnik – Minergie- und 2000 Watt-Gesellschaft tauglich
Die gesamte Siedlung 6 «Stüdli» wird nach Minergie-ECOStandard und den Anforderungen der 2000 Watt-Gesellschaft gebaut. Neben dem Einsatz von ökologischen Baumaterialien werden auch bei der Gebäudetechnik die Ziele mittels schlanken und ökologischen Lösungen umgesetzt. Ausserdem wird die SIA-Norm 500 Hindernisfreie Bauten angewendet. Die Wärmeversorgung erfolgt mittels eines Minergietauglichen und dem Gedanken der 2000 Watt-Gesellschaft entsprechenden Wärmepumpensystems, welches im Winter das Heizen und im Sommer eine passive Kühlung übernimmt. Die Wärmeabgabe erfolgt über Flächenheizungen. Als Wärmequelle dient Grundwasser, welches an diesem Standort eine grosse Mächtigkeit aufweist und sich optimal nutzen lässt. Grundwasser gilt zudem als edelste Wärmequelle und weist die höchsten Wirkungsgrade aus. Für die Umsetzung braucht es im UG eine Hauptzentrale mit Grundwasser-Wärmepumpen, an die alle Gebäude angebunden sind. Die Wärmeverteilung erfolgt via Parkgarage, welche bereits alle Gebäude verbindet. Die Grundwassernutzung wäre auch ohne Contracting umsetzbar, wodurch Kosten eingespart werden und die Mieter von tieferen Nebenkosten profitieren könnten. Zur Lüftung der Wohnräume schlagen wir als Variante zu einer flächen- und volumenintensiven zentralen Lüftungsanlage dezentrale Lüftungselemente in den Brüstungen und Abluftventilatoren in den Nasszellen vor. Sie sind Minergieund SIA- Energieeffizienzpfad-kompatibel und erzielen eine deutlich bessere Ökobilanz. Mit dieser schlanken Variante werden in den Wohnräumen kaum Schächte und keine Lüftungsrohre benötigt, wodurch Platz und Baumaterial gespart werden, letzteres insbesondere bei den Decken. Der Luftwechsel kann auf jeden Raum individuell abgestimmt werden und die Wärme vor Ort zurückgewonnen werden. Entstehende Feuchtigkeit und die Kumulierungen von Schadund Geruchsstoffen werden minimiert. Mit der Photovoltaikanlage auf allen nicht nördlich ausgerichteten Dachflächen kann die Vorgabe der MuKEn mit 0.06 m2 Modulfläche pro m2 EBF problemlos eingehalten werden. Auch die Erfüllung der Minergiekennzahl sollte damit kein Problem darstellen. Durch die hohe Belegung der Gebäude während des Tages (Gewerberäume, Kindergarten, etc.) kann ein sehr hoher Eigenverbrauchsanteil erzielt werden. Um diesen zu optimieren wird ein Messkonzept eingesetzt, welches den Bewohnern erlaubt, ihren Energieverbrauch und den zur Verfügung stehende Strom aus Eigenproduktion abzulesen. Im Hinblick auf den wachsenden Anteil der Elektromobilität werden in der Garage E-Ladestationen mit Solarstrom betrieben, wodurch der Eigenverbrauchsanteil noch weiter erhöht wird. Die Anzahl der Privatparkplätze pro Wohnung wird zudem tief gehalten (1 Parkplatz pro 120 m2 aGF), was der Erfüllung der 2000 Watt – Gesellschaftsziele entgegenkommt. Die Einhaltung der Mobilitätsziele wird auch dank der guten ÖV-Anbindung und den zusätzlich geplanten Mobility-Parkplätzen sichergestellt.