Zum Hauptinhalt springen

19.09 / Städtebaulicher Wettbewerb Orleanshöfe, München

Eingebettet in ein offenes System urbaner Freiräume bilden drei vom Hoftypus abgeleitete Gebäude den Abschluss des dichten und vielfältig genutzten Stadtquartiers am Geleisefeld beim Ostbahnhof.

Wettbewerb 2019–2020

Planungsteam
Auftraggeber – Orleanshöfe GmbH & Co. KG München
Architektur – op-arch | Pablo Baumann, Michael Pfister, Tim Simonet
Freiraum – mavo Landschaften
Projektbeschrieb

Ergänzung des Stadtkörpers

Der Orleansplatz, laterales Zentrum der 1854 eingemeindeten Vororte Au und Haidhausen, verkörpert den quartierprägenden Geist der Stadtplanung der 1870er-Jahre. In den angrenzenden einheitlichen Häuserzeilen scheint bis heute vereinzelt die Gestalt des ursprünglichen Herbergendorfes im wasserdurchzogenen Auengebiet durch. Massstabsbrüche und Zeugen aus vorstädtischen Zeiten bereichern die Gestalt des homogenen Stadtteils. Am Ostbahnhof gilt es eine der letzten Brachflächen Münchens in den Stadtkörper einzugliedern. Im schmalen Streifen zwischen Orleansstrasse und Geleisefeld soll in Zukunft ein Ort hoher Urbanität das auf dem Reissbrett konzipierte «Franzosenquartier» zur Bahn hin ab abschliessen.

Die Sonderstellung zwischen den die räumliche Atmosphäre prägenden Infrastrukturen verlangt nach Eigenständigkeit und Prägnanz des räumlichen Systems. Die vorgeschlagene Komposition aus drei vom Hoftypus abgeleiteten Gebäuden bezieht sich in ihrer Massstäblichkeit auf die langegezogenen Blockränder an der Orleansstrasse und ergänzt die Silhouette am Geleisefeld durch eine einprägsame Sequenz. Verschieden nutzbare öffentliche Räume stehen mit den Neubauten im Dialog und knüpfen an die bestehende Situation und die stadtklimatischen Anforderungen an.

Cadavre Exquis

Die Freiraumstruktur widerspiegelt die «innere Ordnung» des Gevierts. Drei durchgehenden Bewegungsachsen in Längsrichtung sind verschiedene Orte für den Aufenthalt angegliedert. Die räumliche Kontinuität schliesst hierbei atmosphärische Wechsel nicht aus. Ähnlich wie beim Spiel mit gefaltetem Papier aus ganz unterschiedlichen Sequenzen ein überraschendes Ganzes entsteht, führt die differenzierte Ausformulierung der unterschiedlichen Freiraumbereiche zu einem zusammenhängenden öffentlichen Raum der den vielfältigen Anforderungen im urbanen Umfeld gerecht wird. 

Die durchgehende innere Erschliessung bindet die Gebäude auf einer Linie zusammen und gewährleistet Anlieferung und Zugänglichkeit der gesamten Anlage. Angereichert mit Elementen für Spiel und Aufenthalt, wird der als innere Promenade ausgestaltete befahrbare Bereich in den Wohnhöfen zusätzlich zum aktiv nutzbaren Freiraum für die Bewohnerinnen und Bewohner bevor er sich vor dem Hotel am Haidenauplatz zur Vorfahrt öffnet. Durch diese Massnahme sind alle übrigen Bereiche vom motorisierten Verkehr befreit. An der Orleansstrasse wird der Strassenraum selbstverständlich bis an die Fassaden geführt. Hinter der bestehenden Baumreihe erschliesst der Zirkulationsbereich für Fahrradfahrende und zu Fuss Gehende auch Ladenlokale und Hauszugänge. Die Ausbildung eines zum Haidenauplatz orientieren Quais nimmt den Niveauunterschied und die von den verkehrstechnischen Erfordernissen geprägten Strassengeometrien auf und ergänzt die Baumreihe des Orleansboulevards mit einer ortsspezifisch geprägten Massnahme. An den ökologisch wertvollen Flächen des Biotopverbunds am Geleisefeld führt eine extensiv gestaltete Promenade vorbei und macht den besonderen Ort zum erlebbaren Element des neuen Gevierts.

Die linearen Bewegungsachsen werden durch die räumlichen Zäsuren zwischen den Gebäuden rhythmisiert. Als städtische Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität ausgestaltet, erlauben sie physische und visuelle Durchlässigkeit, sind Ankunfts- und Verteilräume und bieten die Möglichkeit zum Aufenthalt im Halbschatten der Haine. Zudem garantieren sie eine Durchwindung zum Geleiseraum hin.

Die hohe Bau- und Nutzungsdichte bedingt einen besonders sorgfältigen Umgang mit Grünflächen und Vegetation in den privaten Bereichen. Der Gartenhof ist mittig nicht unterbaut, sodass er mit Kraut-, Strauch- und Baumschicht dicht bepflanzt werden kann und sich die Gehölze frei entfalten können. Zudem kann so vor Ort versickert werden. Der Boden ist maximal entsiegelt, einzig die einseitig geführte innere Promenade erlaubt sowohl Spiel- und Aufenthalt auf Hartbelägen als auch die Erschliessung. Die Freiräume auf den Sockelbauten und den Dächern bieten zusätzliche Atmosphären. Dank dem System der Anstaubewässerung können auch die Dachgärten, die berankten Lauben, das Impluvium und die Rooftop-Farm intensiv bepflanzt werden und leisten so einen Beitrag an den Wasserkreislauf und dem Stadtklima. 

Dreiklang

Wie Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger Baker, die in den 1960er-Jahren als beste Instrumentalisten ihres Fachs im Zusammenspiel unterschiedliche Einflüsse aus Blues und Jazz zu einem neuen Sound verschmolzen, bereichern drei eigenständige Protagonisten den gemeinsamen Klangraum mit ihrer individuellen Melodie. Eingebettet in das etablierte Bewegungsnetz bilden Hofhaus, Stadtblock und Figur eine Komposition, die mit ihrer Umgebung in Dialog tritt. Die Geschlossenheit der Baukörper zum Stadtraum definiert die öffentlichen Räume. Im Innern bietet die unterschiedliche Ausformulierung der Hoftypen Möglichkeiten zur differenzierten nutzungsspezifischen Ausgestaltung der Hof-, Dach- und Fassadenflächen. Die solide Grunddisposition der Anlage gewährleistet Spielräume für Interpretationen. 

Das leistungsfähige Hofhaus «Eric» nimmt in den beiden unteren Geschossen die flächenintensiven Fachmärkte, in den oberen Geschossen attraktive Büroflächen auf. Die Dachflächen im Hof, zu den seitlichen Stadtplätzen und an der Orleansstrasse werden als Gärten ausgebildet und stehen Mitarbeitenden für den Aufenthalt an der frischen Luft zur Verfügung. Im Stadtblock «Jack» lassen die unterschiedlichen Dimensionen der Gebäudeflügel Variationen lärmspezifisch konzipierter Wohnungsgrundrisse zu. Sowohl im schmalen Baukörper an der Orleansstrasse als auch im tiefen Baukörper am Geleise sind alle lärmempfindlichen Räume auf den Hof ausgerichtet, während die Küchen nach Aussen orientiert sind und somit individuelle Fenster mit Bezug zum Stadtraum bilden. Auch hier ergänzen über die Treppenhäuser direkt erschlossene Dachterrassen das private Freiraumangebot. Im Erdgeschoss befinden sich neben den Zugängen zu den Wohnungen am Orleansboulevard Einzelhandelsgeschäfte, in den Seitenflügeln die Gemeinschafträume und geleiseseitig die Kindertagesstätte, welcher auch der Hofgarten als private Freifläche zugewiesen wird. Die Figur des Gebäudekomplexes «Ginger» gipfelt im Hochpunkt am Haidenauplatz und gewährleistet die freie Sicht auf die Kirche St. Johann Baptist wobei das Sockelgeschoss die maximal erlaubte Höhe von 17.5 Metern aus dramaturgischen Gründen unterschreitet. Im dienstleistungsorientierten Gebäude steht das Erdgeschoss für die dem Hotel und Businesscenter angelagerten Empfangs- und Konferenzräume sowie für ein grösseres Einzelhandelsgeschäft zur Verfügung. Die zur Bahn hin orientierte Orangerie bereichert das Raumangebot für Hotelgäste und Bewohnende der flächenoptimierten Apartments im Wohnhaus. Auf der weiten Dachfläche des Sockelgeschosses spiegeln unterschiedlich bespielte Freiflächen verschiedene Themen der Stadtökologie und laden zum Verweilen ein.

Entwicklung und Gestaltung

Der Schnitt zwischen dem ersten und dem zweiten Entwicklungsabschnitt ist so gelegt, dass innere Zusammenhänge und Lärmschutz zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sind. Die räumliche Konzeption erlaubt die Aufteilung in vier individuell planbare Bauetappen, wobei die Umsetzung durch verschiedene Autorinnen und Autoren als Bereicherung verstanden wird. Der Vorschlag für die Entwicklung der Brachfläche am Rand des Quartiers lebt vom Wechselspiel zwischen kleinem und grossem Massstab. Genauso wie die Spielregeln für die Freiraum- und Gebäudetypen Variationen zulassen, leisten die wesentlichen Gestaltungsprinzipien für die Fassaden ihren Beitrag zur Steigerung der städtischen Qualität. Vor- und Rücksprünge, horizontale oder vertikale Gliederungen, Ecken und Kanten führen zu einer differenzierten Lesbarkeit der unterschiedlichen Häuser und bereichern die Wahrnehmung der Vorbeigehenden.