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98.01 / Waschanstalt Wollishofen, Zürich

Fertigstellung 2000

Planungsteam
Auftraggeber – Lienhardt & Partner Privatbank, Zürich
Architektur – agps architecture ltd. / Wettbewerb: Marc Angélil, Reto Pfenninger (PV), Manuel Scholl, Heiki Heer, Thomas Schwendener (PL) / Projekt: Philipp Brunnschweiler, Oliver Eiholzer, Sandra Flury, Reto Pfenninger (PV), Philipp Röösli, Thomas Schwendener (PL), Philipp Sigg
Kunst – Blanca Blarer
Landschaftsarchitektur – ARGE Ganz, Kuhn Truninger
Tragwerk – APT Ingenieure GmbH
Gebäudetechnik – Getec AG, Thieme Klima
Spezialisten – Metallplan Küssnacht AG
Kosten und Bauleitung – Mobag AG
Fotografie – Gaston Wicky

Projektbeschrieb

Transformation nach dem Collagenprinzip

Ausgehend von der historischen Arealentwicklung und entsprechend der Situation bei Planungsbeginn wird zunächst die Schichtung paralleler Raumzonen von Westen nach Osten aufgenommen. Die öffentliche Nutzung hinter der nördlichen Arealbegrenzung - die von Hermann Herter entlang der Seestrasse entworfene Badeanstalt - wird mit dem Dienstleistungs- und Gewerbetrakt im Areal fortgesetzt; und vom Süden her wird die Wohnnutzung der Villenbauten am ehemaligen Seeufer im Planungsgebiet mit der bestehenden Halle weitergeführt. Auf dem Areal überschneiden sich die beiden Nutzungszonen. Sie werden von den jeweiligen Aussenbereichen, dem geforderten Freiraumstreifen im Norden und der südlichen von Servituten geschützten Freifläche begrenzt. 

Darüber spannt sich ein räumliches Gitter aus orthogonal überlagerten Raumschotten. In diesem Raumgeflecht werden die neuen Bauvolumen durch die Ausbildung ähnlich grosse Körper zu den bereits bestehenden, d.h. dem Filterturm, dem Hochkamin und dem Backsteingebäude in Beziehung gesetzt. Der Entscheid, innerhalb des Raumgitters umzubauen, neuzubauen, an–, auf– und einzubauen, entspricht der langen Arealgeschichte und führt das Prinzip der Collage, welches das gesamte Areal seit Beginn der Baugeschichte auszeichnet, weiter.

Wohnungen. Büro. Restaurant. Bar.

Die ursprüngliche Stahlbetonstruktur des Architekten André Bosshard und die Geometrie des ehemaligen Filterturmes werden um ein neues Bauvolumen im Norden, eine Raumschicht im Westen und um ein neues Dachgeschoss erweitert. Die ursprüngliche, asymetrische Fassadenansicht vom Seeufer her, auf Filterturm und Bosshardbau, wird mit der nördlichen Erweiterung zentriert. Um den Charakter nicht zu verändern, nimmt ein auskragendes Dachvolumen im Norden die ehemalige Asymmetrie wieder auf. Eine zusätzliche Ebene über dem bestehenden Erdgeschoss unterteilt die vormalige Halle der Wäscherei in zwei Geschosse. Mit diesen Ergänzungen werden unterschiedliche Nutzungen ermöglicht: verschiedene Wohnungstypen, ein Restaurant mit einer Bar und Büroflächen; ein Raum- und Nutzungskonglomerat, das in seiner heterogenen Eigenschaft den lebendigen Gebäudecharakter unterstützt.

Die Achsabstände der bestehenden Fassadenstruktur sind die Grundlage zur Unterteilung der Wohnungen. In einem alternierenden Abstand von zwei und drei Achsen der ursprünglichen Fassadeneinteilung entstehen unterschiedlich breite Wohnungen. Die eigene Statik des Filterturmbereiches und die Geometrie der Endzonen bestimmen zusätzlich unterschiedliche Wohnungsgrundrisse.

Für die Maisonettewohnungen im Erdgeschoss ist ausserdem die neu eingeführte Geschossebene massgebend. Sie folgt einer eigenen Geometrie und ermöglicht unterschiedlich hohe Wohnräume. Die zu dieser Ebene gehörenden Brüstungselemente werden je nach Innenraumsituation und Fassade unterschiedlich materialisiert. Sie ziehen sich in ihrer Gesamtheit wie ein Band über die ganze Länge des Gebäudes, um im Restaurant mit dem Geländer der Galerie zu schliessen. Der "Verschluss" dieses Bandes - ein besonderes Bindeglied, das sich in prominenter Lage im Gastraum des Restaurants findet - entwickelte die Künstlerin Blanca Blarer.

Die grosszügigen Wohnflächen werden in den Maisonette- und Geschosswohnungen durch die Nasszellen strukturiert. Damit entfällt eine konventionelle Zimmereinteilung. Die einzige Türe bleibt der Eingang zur Wohnung. Durch die guten Tageslichtverhältnisse werden die Nasszellen im Innenbereich indirekt über Fensteröffnungen natürlich belichtet. Im Galeriegeschoss der Maisonettewohnungen ermöglichen die Öffnungen ein Bad mit Sicht auf See und Berge. Die vier Dachgeschosswohnungen sind unabhängig von der darunterliegenden Wohnungssystematik strukturiert und folgen eigenen Gesetzmässigkeiten.

Gasse.

Der Gassenraum bildet eine Schneise zwischen Wohn- und Restaurantbau sowie Gewerbe- und Ateliertrakt. Der Medienkanal unter der Gasse versorgt die Einheiten mit  Energie und ersetzt so das fehlende Untergeschoss der Wohnungen. Für die Wärmeerzeugung durch eine Wärmepumpe wird die bestehende Seewasserfassung genutzt. Diese Leitung ist für den Bau des Filterturmes 1929 in den Zürichsee verlegt worden, um das Seewasser für die industriellen Waschvorgänge zu nutzen. Damals wurden die Wassermengen auf die höchste Etage des Filterturmes gepumpt, um dann über Filterbrunnen auf unterschiedlichen Höhen im Erdgeschoss in die Waschtrommeln geleitet zu werden.

Der Kamin unterteilt die Gasse in eine nördliche, öffentliche Zone mit den Eingängen für das Restaurant, die Büros und die Ateliers mit dem angrenzenden Freihaltebereich und in eine südliche, halböffentliche Zone für die Wohnungen. Die markante Auskragung des Dachgeschossvolumens zur Gasse hin steht im Dialog mit dem Kamin. Dadurch wird dieser halböffentliche Gassenraum zusätzlich gefasst. Durch den Kamin wird die Abluft des Restaurants und der Küche geleitet und in seiner Krone wurden Nistplätze für Alpen- und Mauersegler eingerichtet.

Ateliers. Dienstleistung. Gewerbe.

Die baurechtlich unerlaubte Gesamtlänge des Baukörpers an der Seestrasse wird mit einem Durchgang in zwei Volumen unterteilt. Diese werden über ein gemeinsames Dach wieder zusammengebunden. Der Durchgang verbindet zudem die Gasse mit der Bushaltestelle an der Seestrasse. Beide Baukörper zeichnen sich durch einen hohen Grad an Flexibilität zur horizontalen und vertikalen Unterteilung in Gewerbe- und Dienstleistungräume oder Atelierwohnungen aus.

Die ehemalige, markante Shedstruktur zur Seestrasse hin wird mit den drei auskragenden Atelierboxen aufgenommen und rhythmisch transformiert. Der serielle Charakter der ursprünglichen Industriehalle wird mit einer Serie von Oblichtern zwischen den Boxen aufgenommen. Im Innenraum der drei Volumen können durch geschickte Setzung der Nasszellenkerne ein, zwei oder drei Atelierwohnungen für jedes einzelne Volumen festgelegt werden. Ebenso können sie als vertikale Erweiterung der darunterliegenden Gewerbe- und Dienstleistungsbereiche genutzt werden. Die Zwischenräume dienen als Terrassen und lassen genügend Licht für die dahinterliegenden Wohnungen durch.

Die Eingänge zur Seestrasse hin befinden sich auf Strassenniveau, die Gassenseite liegt über einen Meter tiefer. So entsteht die Möglichkeit, einen einseitig natürlich belichteten und belüfteten Garagenraum auszubilden, ohne ihn unter den Grundwasserspiegel setzen zu müssen.

Gestalterische Massnahmen

Der Kompositcharakter der Anlage wird auch im Ausdruck der Hülle fortgesetzt. Zwei verschiedene Gestaltungsprinzipien für die Gebäudehülle zeichnen den Gesamtkomplex aus: Glaskörper mit aufgesetzten Aluminiumbändern und verputzte Volumen mit ausgeschnittenen Öffnungen wie bei Filterturm und Backsteingebäude. Beides sind im eigentlichen Sinn konventionelle Fassadenthemen, welche in ihrer Kombination den Gebäudeteilen einen spezifischen Ausdruck geben. Die jeweiligen Funktionen sind nicht mehr an der Fassade ablesbar. Die vermeintlich schweren, verputzten Volumen, die auf den fragilen Glaskörpern liegen, sind Leichtbaukonstruktionen aus Holz. Der indischrote Verputz korrespondiert mit der Materialität von Backsteingebäude, Kamin und Filterturm und verbindet so Alt mit Neu.

Die Verschmelzung von Bestehendem und Neuem findet auch innerhalb des gleichen Fassadensystems statt. Die Regelmässigkeit der Aluminiumbänder im Bereich des bestehenden Stahlbetonskelettes beim Seetrakt löst sich gegen Norden auf und deutet durch ihre spielerische Unregelmässigkeit auf das verlängerte Neubauvolumen des Restaurants hin. 
Sämtliche Eingänge sind als satinierte Glaselemente mit dahinterliegendem, schwarzem Punktraster in die jeweiligen Fassadensysteme eingelegt.
Das Farbkonzept des Aussenraumes wird auch für den Innenausbau eingesetzt. Rote Wände, Holzböden und Holzverkleidungen entsprechen den Beigetönen von Backsteingebäude, roten Backsteinfriesen und den verputzten indischroten Volumen.

Gedanken zur Wahrnehmung

Mit den baulichen und gestalterischen Massnahmen verbindet sich eine besondere Eigenschaft, nämlich die Wahrnehmung der «Wöschi» als dynamischer Raum im Wechselspiel unterschiedlich bewegter Bilder und Rhythmen. Was die Fotografie nur im Ansatz festzuhalten vermag, zeigt sich bei der Begehung der Anlage.

Zwei bewegte Kulissen ganz unterschiedlicher Couleur säumen das Areal der Überbauung. Seeseitig sind es Schiffe, Ruderboote und Segler, die beschaulich übers Wasser gleiten, während auf der anderen Seite der Strassenverkehr vorbeiströmt, übertönt nur vom regelmässigen Rauschen der Eisenbahn. Auf der Dachterrasse der Attikawohnungen scheinen die durchfahrenden Doppeldecker-S-Bahnzüge vis à vis zum Greifen nah; und manchmal erliegt man dem Trug bewegter Bilder und glaubt sich für einen Moment selbst mitsamt Gebäude voll in Fahrt. Mittendrin in diesem mobilen Szenario befindet sich die Gasse, im Schutz der Gebäude erstaunlich still. Doch selbst da setzen sich die Bilder in Bewegung. Das Auge springt über die Fassade, folgt dem Takt von Form und Farbe, abrupt und doch fliessend vom Mauervorsprung zum gegenüberliegenden Pendant, von einem Brüstungsstück zum nächsten. Zum Wasser hin schliesslich wird der Rhythmus sanft und leiser. Die Fassadenbänder spielen frei im Licht und tanzen bisweilen mit den glitzrigen, sich kräuselnden Wellen.