24.05 / Ersatzneubau "Grondius", Oberrieden
Planungsteam
Auftraggeber – GAWO Genossenschaft für Alterswohnungen, Oberrieden
Architektur – op-arch | Michel Baumann
Landschafsarchitektur – Nipkow Landschaftsarchitektur AG, Zürich
Tragwerk – Büro Thomas Boyle + Partner AG, Zürich
Gebäudetechnik – Böni Gebäudetechnik AG, Oberentfelden
Der Projektvorschlag bezieht sich volumetrisch auf die eng zugeschnittene, eingeschnürte Parzellenform inmitten des Quartiers und eröffnet über den Zuschnitt beidseitig des Gebäudes zwei freiräumlich eindeutige Raumidentitäten und Ausdrucksformen. Die Haupterschliessung und innere Adressierung zwischen Hubstrasse und Oberem Stünziweg wird als Grüne Gasse ausgestaltet. Die zur Aussicht nach Südosten hin vorgelagerte Aussenraumsequenz folgt dem Spielhofweg und ist vom Gewässerraum des Butzenbachs geprägt. Der stark und naturnah durchgrünte Vegetationssaum begleitet idyllisch den Bachraum und lässt aus den unteren Wohn-ungen den Blick in die artenreiche Bestockung des gebäudebegleitenden Szenarios, dem Bachsaum schweifen. Der fussläufige Brückenschlag verbindet den Spielhofweg zum durchgesteckten zentralen Erschliessungskern und führt die Bewohner gelichzeitig auf die vorgelagerte, zum Butzenbach hin orientierte Aussenterrasse der Mensa. Als Ort der Kommunikation, für Austausch und Erholung nimmt die Terrasse Bezug auf das Quartierleben. Die Grüne Gasse mit Fortsetzung in den Oberen Stünziweg ist im Vorgartenbereich zu den Loggien hin dicht mit artenreichen Strauch-, Wildstauden und Gräsern bepflanzt, strassenbegleitende, hochstämmige Bäume beschatten den auf den Haupt-zugang fokussierten Gassenraum. Das gegenüberliegende Gewächshausensemble reflektiert mit seiner Fassade aus Glas die durchgrünte Szenerie und schafft je nach Tageslicht mit der visuellen Verdoppelung des Effektes und seiner Transluzenz eine attraktive Atmosphäre der Ankunft. Begrünte und versickerungsfähige Besucherparkplätze begleiten den Erschliessungsraum.
Der Bachsaum mit dem Butzenbach wird als naturnahe, ökologisch und raumgestalterisch aufgewertete Einheit gestaltet. Das Bachprofil und die Gewässersohle wird renaturiert und das Gerinne mit unterschiedlichen Gesteinskörnungen angereichert. Der Erlen Eschensaum ist von Weiden durchsetzt und feuchtigkeitsliebende Staudenfluren besiedeln den Saumverlauf. Flora und Fauna profitieren von dieser vielgestaltigen Freiraumepisode, für die Bewohner entstehen den Jahreszeiten entsprechende Ein- und Ausblicke in ein animierendes Landschaftsbild. Vögel bereichern diesen Ort für die Beobachtenden akustisch, die natürliche Beschattung schafft ein angenehmes Mikroklima.Die oberen Stockwerke profitieren von der Aussicht in die weite Landschaft. Die umgebenden Freiräume werden soweit möglich über die Schulter und über Retentionsbereiche verzögert in den Vorfluter entwässert.
Städtebau
Von der Siegfriedkarte 1930 zum ÖREB-Kataster 2024. Auf der Siegfriedkarte von 1930 (Abb.1), zwischen der Häusergruppe mit den Flurnamen «Hub», «Spielhof» und «Stünzi» liegt das noch unbebaute Areal der heutigen GAWO. An der Nordspitze des Areals, bei der Weggabelung des «Oberen Stünziwegs» und des «Spielhofwegs», nimmt der Butzenbach einen Quellbach auf, welcher östlich des Spielhofwegs entspringt. Die Geometrie der Weg-gabelung und die der Bachverläufe sind ähnlich und annähernd am gleichen Ort. Sie sind die einzigen noch ablesbaren Elemente der ursprünglichen Situation und geben dem Grundstück an seiner nördlichen Spitze noch heute die charakteristische Form. Hundert Jahre später ist die Situation eine andere. Das Feld mit der abfallenden Topografie und dem mitten durchs Areal fliessenden Bach ist zugebaut. Lose Häuserformationen aus unterschiedlichen Zeiten prägen den Ort. Der Butzenbach folgt neu der Geometrie des Spielhofwegs, und die Erschliessungsstrassen mit den Wegen überformen die ursprüngliche freie Topografie der Landschaft. Die kleinteiligen Parzellengeometrien mit den entsprechenden Zonenplanvorschriften sind die neuen ortsbaulichen Heraus-forderungen. In dieser Gemengenlage von gesetzlichen Verfügungen und baulichen Dichteanforderungen (Abb. 2) setzen wir unser Hausprojekt, volumetrisch kleinteilig strukturiert, aus Holz auf einem Sockelbauwerk aus Beton.
Der Ersatzneubau mit seiner Umgebung
Das Haus folgt mit seinen gestaffelten Geometrien vorschrifts-gemäss den Grenzabständen und Mehrlängenzuschlägen. In der Mitte, an der engsten Stelle der Grundstücksgeometrie, liegen beidseitig die Zugänge in das Haus. Der Sockel des wenig aus dem Terrain ausragenden Untergeschosses ist der Topografie folgend höhenversetzt. Auf der westlichen Seite des Grundstücks führt die Sockelmauer entlang dem Grenzabstand. Der Sockel schützt so vor Überschwemmungen bei Hochwasser (Abb.3) und kanalisiert das Wasser entlang des südlichen Zugangsweges über den «Oberen Stünziweg» weiter bis an den Spielhofweg. Ausserdem sichert eine mobile Hochwasserschutzvorrichtung im westlichen Zugangsbereich die Eingangshalle vor eindringendem Wasser. Der Sockel vor den Wohnungen wird bepflanzt und soll mit der unmittelbar angrenzenden Umgebung «verwachsen».
Die orthogonale, den Grenzen folgende Raumstruktur der Wohngeschosse zeichnet im Zusammenspiel mit den vertikalen Scheiben ein fragmentiertes Haus aus, welches sich hinter der baumbestanden Umgebung aufzulösen scheint, kein eindeutig ablesbar zusammenhängendes Ganzes mehr zulässt und in dieser Formgebung eine gestaltbildende, schwierige Parzellengeometrie überwindet.
Architektur
Zwei Häuser, ein Haus - In der Mitte des Grundstückes, an der engsten Stelle treffen die beiden Häuser aufeinander und werden mit Treppen und Aufzügen zu einem Haus vereinigt (Abb.4). An dieser Stelle befinden sich auch die beiden Zugänge: Der Hauptzugang ist über die bestehende Brücke im Osten erreichbar, und ein weiterer Zugang wird im Westen, vis-à-vis des Gewächshauses angeboten. Die beiden Einheiten sind aufgrund der nach Norden abfallenden Topografie halbgeschossig zueinander versetzt. Das Foyer beim Haupt-zugang liegt auf der Untergeschossebene des südlichen Gebäudeteils. Die zweigeschossige Öffnung mit der Infowand im Rücken prägt die Halle des Foyers und verbindet diese räumlich mit dem halbgeschossig höher gelegenen westlichen Zugang. In den Regelgeschossen ist die horizontale Verbindung vom Nordflügel in den Südflügel für die gehbehinderten Bewohner:innen über den «Durchladeraufzug» oder zu Fuss halb-geschossig über die Treppe gewährleistet. Dieser Mittelteil verfügt beidseitig, jeweils vor dem Lift und der Treppe, über einen kleinen Aufenthaltsbereich für spontane Begegnungen und Kurzaufenthalte. Im Attikageschoss wiederum ist dieser Bereich als Gemeinschaftsterrasse nutzbar - mit Weitblick zum Üetliberg und zum See!
Die Kleinwohnung als Masseinheit
Die Masseinheit des Projektes ist die Kleinwohnung. Ihre Raumstruktur ist aus der Vorfabrikation eines klassischen Holzelementbaus abgeleitet. Das lineare Achsmass ist für eine minimale Zimmerbreite von 3.00 Metern auch die ideale Masseinheit für den ökonomischen Einsatz von Holzstützen, CLT-Unterzügen und Brettstapeldecken. Zwei Achsmasse bilden folglich die Raumeinheit der Kleinwohnung, welche horizontal entlang der Grenz-abstände aneinandergereiht und vertikal gestapelt zur Gestalt des Hauses führen. Die Raumeinheiten werden maximal an die Aussengrenze gesetzt, so dass ein innerer Erschliessungsraum entsteht, welcher jeweils mit einem breiten Aussichtsfenster oder den Waschküchen endet. Die Orthogonalität dieses Erschliessungsraumes ist die notwendige Bedingung aus der Vor-fabrikation. Diese Logik wird auch im Attikageschoss fortgeführt, diesmal aber mit drei Achsen für die grösseren 3 ½ Zimmer-Wohnungen.
Wohnwelten
Zwei Varianten der 2 ½ Zimmer-Wohnung stehen zur Disposition: Der Wohnungstyp A und der Wohnungstyp B. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen nur über die Geometrie des Vorzimmers: Das Vorzimmer im Eingangsbereich des Wohnungstyps A bietet eine Schrankwand mit Arbeitsnische entlang der Wohnungstrennwand an und verfügt über genug Fläche für die Tätigkeiten eines aktiven Lebens im dritten Lebensabschnitt. Dieser Raum kann für das Musizieren, zum Bügeln, für die kleine Haus-bibliothek oder auch zum Fernsehen genutzt werden. Unter dem Unterzug leiten zwei Öffnungen in das Bad mit Vorbereich und in den grossen Raum für Kochen, Essen und Wohnen und mit einer Balkontüre zur Loggia. Das Schlafzimmer zwischen Loggia und Vorzimmer ist über die grosse Glasfront zum Vorzimmer erschlossen. Das Wohnzimmer kann bis zum Boden verglast werden und baut so einen Dialog mit den unmittelbar vor der Fassade gepflanzten Bäumen im Aussenraum auf. Das Vorzimmer im Eingangsbereich des Wohnungstyps B ist in Anlehnung an die Gründerzeithäuser ein überbreiteter Korridor mit langer Schrankfront und einer Arbeitsnische. Am Ende dieses Korridors liegt das Bad und die Öffnung zum grossen Raum für Kochen, Essen und Wohnen. Das Schlafzimmer zwischen Loggia und Vorzimmer ist sowohl über den Wohnraum wie auch über die grosse Glasfront zum Vorzimmer erschlossen. Die Raumatmosphäre soll Geborgenheit und Wärme vermitteln. Die Stützen, Unterzüge und Brett-stapeldecken aus Holz bleiben sichtbar. Der Anhydritboden mit eingelegter Bodenheizung ist in einem hellen Farbton gehalten, und die Küchen, die Einbauschränke und die Leichtbauwände zeigen sich in einem gebrochenen Weisston.
Die Haustechnik
ist auf ein «So viel wie nötig, so wenig wie möglich» ausgelegt. Jede Wohnung verfügt über einen Fallstrang beim Badzimmer. Die Wasserleitung der Küche wird in der Schüttung zum Fallstrang des Badzimmers gezogen. An der Unterseite der Decke des Untergeschosses werden sämtliche Leitungen der Fallstränge zusammengefasst und in die entsprechenden Haustechnikräume geführt. Die Fortluft der Parkgarage wird in einem Schacht beim Korridor des nördlichen Hausbereichs über Dach geführt. Das Attikageschoss ist über die gesamte Fläche mit PV-Paneelen und einer extensiven Dach-begrünung ausgestattet.
Wärmeerzeugung
Die Deckung des Wärmebedarfs erfolgt mit einer separaten Sole/Wasser Wärmepumpe. Die Wärmepumpe wird mit einem technischen Pufferspeicher ausgerüstet, um möglichst lange Lauf-bzw. Stillstandszeiten auszuweisen
Erdwärmesonden
Die Erdwärmesonden werden unterhalb der Bodenplatte gebohrt und in einem zugänglichen Erdsonden Schacht zusammengeführt, von wo sie mittels einer Vor-& Rücklaufleitung mit der Wärmepumpe verbunden werden.
Passive Kühlung
Eine passive Kühlung über die Erdsonden wird ausgebaut. Hierbei wird die niedrige Temperatur des Erdreiches über einen Wärmetauscher auf das Heizsystem übertragen. Der Verdichter der Wärmepumpe wird nicht eingeschaltet, die Wärmepumpe bleibt „passiv“. Als positiver Nebeneffekt werden die Erdwärmesonden in den Sommermonaten regeneriert.
Warmwasserversorgung, Wärmeverteilung, Wärmeabgabe
Das benötigte Warmwasser wird im Technikraum mittels einem aussenliegenden Plattentauscher, welcher via Wärmepumpe aufgeheizt wird, erwärmt. Der Wassererwärmer verfügt zusätzlich über einen Elektroheizeinsatz. Dieser erwärmt das Wasser im Behälter einmal täglich über 60°C um die Bildung von Legionellen zu vermeiden. Die Wärmeabgabe erfolgt in sämtlichen Nutzungs-einheiten über eine Niedertemperatur-Fussbodenheizung, eingebaut im Anhydritboden.
Lüftungsanlage Tiefgarage und Kellerräume
Die Autoeinstellhalle wird mit einer mechanischen Entlüftungsanlage ausgestattet. Die Aussenluft wird direkt an den Aussenwänden der Einstellhalle angesogen und die Fortluft über Dach geführt. Die fensterlosen UG-Räume werden mechanisch entlüftet.
Lüftung Wohnungen
Die Wohnungen sollen konventionell über das Öffnen der Fenster nach Bedarf gelüftet werden. Die geschlossenen, fensterlosen Räume müssen mit einer Abluftanlage entlüftet werden. Bei den Fenstern werden selbstregelnde schalldämmende Nachström-elemente eingeplant.
Sanitäranlagen
Jeder Steigstrang wird über Dach entlüftet. Das Dachwasser wird über externe Fallleitungen zwischen dem aussenliegenden Zweischalenlehmbausteinmauerwerk durch den Spengler gefasst und ins Erdgeschoss geführt. Das Meteorwasser soll im Erdgeschoss mittels Speier über eine belebte Bodenpassage und in die Bachvegetation versickern. Die Loggien werden gespeiert.
Tragwerk
Der nutzungsflexible Holzskelettbau mit Brettstapeldecken wird durch Brettschichtbalken und -stützen getragen. Nur die aussteifenden Wände und Liftschächte werden in Stahlbeton erstellt. Die Wände sind in Längsrichtung nah am Nullpunkt für Dehnungen aus Schwinden und Temperaturänderungen in Gebäudemitte gehalten. Die in Querrichtung aussteifenden Wände sind weiter auseinandergehalten, um den Widerstand gegen Torsionsverdrehungen zu maximieren. Die Nutzungsänderung im Untergeschoss (Erdgeschoss Südteil mit Gemeinschaftsraum und Cafeteria, Untergeschoss mit Einstellhalle im Nordteil) verlangt an vielen Stellen ein Abfangen der Stützen-lasten aus den Obergeschossen. Deshalb – und auch weil diese Geschosse teilweise im Terrain eingebettet sind – werden sie in Stahlbeton erstellt mit einer ca. 40cm starken Flachdecke. Mit dieser Tragwerkskonzeption wird der Grenzwert der prSIA 390/1 Klimapfad von max. 9kg/m2 eingehalten.